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Mentoring wirkt systemisch - Wie Tandems die Welt verändern können

Updated: Apr 9, 2022



Mentoringtandems haben das Zeug, die Welt aus den Angeln zu heben.


Stell Dir folgende Szene in einem beliebigen Büro oder Labor vor (Quelle des Dialogs am Ende des Artikels):


Boss: Sorry I´ve been too busy to mentor you lately.

Employee: Were you mentoring me before?!

Boss: Kind of. I was criticizing you in my mind.

Employee: I think it made me a better person.


Die Profis unter Euch schreien jetzt innerlich auf: Waas? Die Führungskraft als Mentor*in? Das passt doch überhaupt nicht zu einem professionellen Mentoringprogramm! Ein ehernes Gesetz besagt, dass möglichst keine Abhängigkeit zwischen Mentee und Mentor*in bestehen soll. Es soll ja frei gesprochen und gefragt und ohne böse oder ablenkende Hintergedanken geantwortet werden können. Und dann wird hier so eine Szene dargestellt. In einem Blog über professionelles MentoringManagement. Ts.


„Die Führungskraft als Mentor*in?!"

Was soll ich sagen. Die Einwände sind berechtigt. Aber keine Panik, denn mir geht es um etwas anderes:


Mentoring ist systemisch. Immer. So – nun erscheint die Szene in ganz neuem Licht, nicht wahr?


Was steht nun hinter dem Gedanken, dass Mentoring eine systemische Komponente hat?

Zunächst einmal muss geklärt werden, was das eigentlich heißt, „systemisch“. Nun explodiert der Begriff in Coaching- und sonstigen Beratungskreisen regelrecht. Viele glauben, dass man einfach „am System herumschraubt“ oder die Wunderfrage oder eine andere Superfrage stellt, die in vielen Ratgebern stehen ("Was würde Deine Führungskraft darüber sagen, wüsste sie, was Du weißt" oder so ähnlich). Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit.


Statt systemisch kann man die Begriffe holistisch, ganzheitlich oder vernetzt verwenden. Der eigentlich wichtige Teil von systemischen Zusammenhängen allerdings ist etwas komplizierter. Stell Dir dazu ein Ballettensemble vor, welches wochenlang für eine Aufführung geübt hat. Alle kennen ihren Anteil, ihren Platz, ihre Bewegungen. Wenn es perfekt ist, so wirkt das Ensemble wie ein einziger Organismus. Und da fangen die Herausforderungen an. Wenn nur ein*e Tänzer*in nicht ganz das tut, was sie*er soll, so entsteht eine Turbulenz im System. Eine Art Irritation, die allerdings auch positiv zu sehen ist. Es verändert sich also etwas und das ganze System "schwingt mit" – und verändert sich mit.


Systemisch denken heißt, etwas holistisch und ganzheitlich zu betrachten.

Und damit zurück zu dem Dialog. Mentoring ist immer systemisch, das ist die These. Die Führungskraft entschuldigt sich dafür, dass sie offensichtlich in letzter Zeit nicht so viel Zeit hatte, sich um die Mitarbeiterin zu kümmern. Diese ist überrascht, dass die Führungskraft überhaupt über sie nachdenken wollte (ja, ziemlich zynisch). Daraufhin wagt sich die Führungskraft aus der Deckung und sagt, dass sie die Mitarbeiterin schlicht und einfach in Gedanken kritisiert hat. Die Pointe schließlich ist, dass die Mitarbeiterin daraus ironisch schließt, dass das dazu geführt habe, sie zu einem besseren Menschen zu machen. Auch wenn es hier als Pointe gemeint ist, so sieht man hier, dass allein diese kurze Konversation schon zu anderen Gedanken geführt hat. Es ist gar nicht nötig, dass die beiden vorher ein richtiges Gespräch geführt haben!


Der Clou im Mentoring nun ist, das tatsächlich Gespräche zwischen Mentor*in und Mentee geführt werden. Was da alles in Schwingung kommen kann!


Mein Punkt ist, dass Interventionen im Mentoring immer zu einer Änderung in der Ballettformation führen. Oder anders gesagt: durch das Zusammenspiel von Mentor*in und Mentee kommen Menschen auf andere Gedanken. Sie probieren Neues aus. Sie reflektieren ihr Verhalten. Allein das reicht schon, um einer Veränderung in der Umgebung hervorzurufen.


Interventionen führen zu Änderungen. Mentoring ist eine Intervention im System.

Angelehnt an den Buchtitel von 1994 des systemischen Transaktionsanalytikers Bernd Schmid „Wo ist der Wind, wenn er nicht weht?“ geht Energie niemals verloren. In geschlossenen Systemen ist das ein physikalisches Phänomen und heißt Energieerhaltungssatz. Für die Veränderungen im Mentoring gilt also, was in Systemen immer gilt: ändere einen Aspekt und Du bekommst einen Effekt. Welcher Effekt eintritt, lässt sich leider nicht immer so genau vorhersagen...


In jedem Fall hebt Mentoring die Welt aus den Angeln. Ein kleines bisschen jedenfalls.


Hast Du etwas zum Thema "systemisch" zu sagen oder hast Du einen anderen Aspekt, der hier fehlt? Mich interessiert Deine Meinung. Schreib mir: friederike.eickhoff@protonmail.com


PS: der Dialog stammt aus einem Comic, der aber mit Lizenzrechten belegt ist. Schreib mir für den Link!


PPS: ich habe mich für meine Blogtexte für die "Du-Ansprache"entschieden. Bei Kontaktaufnahme per "Sie" antworte ich natürlich entsprechend.



Photo by Terry Vlisidis on unsplash.com

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